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Finnland vom 3. - 14. Februar 2024


Freitag, 2.2.:

Streik, Streik, Streik, behelligt uns zum Glück nicht. In Berlin die BVG, aber wir sind, wegen des Gepäcks, sowieso mit der Taxe zum Bahnhof Südkreuz gefahren. Der Lokführerstreik ist ausgesetzt und das Fährpersonal streikt an anderen Tagen. Viel zu früh am Südkreuz, der Zug nach Hamburg hat 20 Minuten Verspätung. Nach 2013 das erste Mal wieder nach Kalajoki und das im Winter. Unsere Freundin Päivi ist nach ihrem Ruhestand schon 3 Jahre zurück in ihrer Heimat. Ihr Mann und unser Freund Mike leider schon seit 2019, nach seinem zu frühen Tod hat er dort sein Grab im Garten. So etwas geht in Finnland. Die Koffer sind voller warmer Sachen. Kurzärmlich, ein Stück, mal schauen, ob wir das brauchen. Einigermaßen pünktlich in Lübeck, tote Hose, die öffentlichen Busse streiken. Zum Glück gehört der Bus zum Fährterminal in Travemünde, einem Stadtteil Lübecks, nicht dazu. In einem türkischen Imbiss eingekehrt und dann zum Terminal gefahren. Obwohl wir eine Bahnfahrkarte inclusive Lübeck-Stadt hatten, musste der Bus extra bezahlt werden. Die Uhren auf die Bordzeit und finnische Zeit um eine Stunde vorgestellt. Nach 2 Stunden brachte man uns in Kleinbussen an Bord. In eine enge Innenkabine, man weiß kaum, wo man sein Gepäck lassen soll. Mit 3 Personen wäre es unmöglich. Noch ein Karhu-Bier in der Bar an Bord, immerhin 6,50 € pro 1/2 l, was für finnische Verhätnisse noch preiswert ist und dann um 1 Uhr ins Doppelstock-Bett.

Fähr-Terminal Travemünde, dieses Bier gab es noch für unter einem Euro

Fährhafen Travemünde


Samstag, 3.2.:

Bis 9:40 geschlafen und nach Körperpflege zum Brunch, sehr manierlich. Es gibt sogar Sekt. Schaumkronen auf See, also mindestens Windstärke 5. Das Schiff schaukelt leicht. Wir befinden uns zwischen Ystad und Rügen, das ist in etwa im Zeitplan. Kein russisches U-Boot in Sicht. Die Sonne scheint. Das Schiff erkundet. Die Sauna ist „Finnisch“, nach Männlein und Weiblein getrennt und man muss Badekleidung tragen. Das tun wir uns nicht an. Gelesen und gedöst, abends ein hervorragendes Dinner. Früh ins Bett.

Hubschrauberdeck der Finnmaid
Haustiere auf der Fähre
Der Baum für unterwegs
Sonnenuntergang auf Finnisch? Helsinki!


Sonntag, 4.2.:

Nach dem Frühstück kam Land in Sicht. 1200 km Ostsee liegen hinter uns. Die Fähre musste durch kleine Eisschollen hindurch. Der uns persönlich bekannte Eisbrecher Otso (Bär) wurde nicht benötigt. Pünktlich angelegt und über die Gangway zum Bus, der uns umständlich zum Terminal brachte. Nach 30 Stunden auf See schwankt schon die ganze Welt. Die Fahrkarten zum Bahnhof am Automaten gekauft. Mit Bus und Metro waren wir in 40 Minuten dort. Zum VR-Schalter (Finnische Bahn), um für eine Fahrt früher umzubuchen. Er hat tatsächlich sonntags offen. Der 12:24 Zug war voll und der 13:24 hätte uns 54 € zusätzlich gekostet, also 2 Stunden länger warten. So sind wir mit den Koffern zum Dom, den haben wir uns wegen 5 € Eintritt geklemmt. Mit Päivi und Bärbels Mutter telefoniert, Tag Mutti, ich bin’s, ist gegen wir sind’s ausgewechselt worden. Immerhin haben wir wunderschönes Wetter, aber einige Straßen sind gefählich vereist. Das erste Mal im Leben den Pinkelgroschen (1 Euro) mit der Karte bezahlt. Der Zug, ein Doppelstöcker, ging pünktlich. Es sind 560 km und dauerte 4 ½ Stunden. Unterwegs wurde es immer winterlicher. Pünktlich um 19:03 in Ylivieska angekommen, Päivi und Jonte kamen gerade die Treppen hoch. Die 40 km durch den tiefen Winter zügig nach Kalajoki gefahren. In Berlin wäre bei diesem Schnee der Verkehr zusammengebrochen. Abendbrot, Schnack und ins Bett.

Fährhafeneinfahrt Helsinki. Ja, es geht geradeaus.

Kalajoki am Bottnischen Meerbusen


Montag, 5.2.:

Geschlafen wie ein Ratz. Nach dem Frühstück zur Bücherei und zum Einkauf in die Halpa Halli = Preiswerte Halle. Finnisch ist gar nicht so schwer, man muss nur hinten ein „i“ anhängen. Halle = Halli, Kiosk = Kioski, Apotheke = Apteekki, Post = Posti. Winter in Kalajoki, es liegt viel Schnee. Trotzdem wird noch Rad gefahren, nur nicht auf dem unten abgebildeten Rad. Die Straßen sind gut geräumt. Abends haben wir gemeinsam gekocht. In die traditionelle Sauna, mit Holz beheizt.

Päivis Grundstück

Arbeit adelt

Armes Fahrrad

Städtische Bücherei Kalajoki


Dienstag, 6.2.:

-12°, sieht aber schön sonnig aus. Am Mittag holte Jonte uns mit dem Wagen ab. Wir sind an den Strand, Keskuskari am Bottnischen Meerbusen gefahren, ca. 10 km von Kalajoki aus. Die Ostsee ist komplett zugefroren. Man sah gar nicht den Übergang zwischen Strand und Meer.  Es war windstill und die Sonne schien. Es war beeindruckend. Man könnte bis nach Schweden laufen, wenn man die 150 km schaffen würde. Hinterher Eisskulpturen besichtigt, dann Kaffee und Kuchen. Nachmittags mit Päivi geschnackt und abends in die Sauna und die Reste von gestern gegessen.

Blick aus dem Küchenfenster

Lange Schatten, selbst am Mittag
Kalt war’s schon


Mittwoch, 7.2.:

-19°, heute Morgen um 8 Uhr, aber blauer Himmel.  Jetzt geht’s zur Sache. Die Sonne scheint, kommt aber nur weniger als 2 Hände breit über den Horizont hoch. Durch den Schnee ist es trotzdem richtig hell. Zum S-Market geschliddert, ein riesengroßer Supermarkt, mit allen lebensnotwendigen Sachen. Leider kein Stoff-Elch oder Rentier, für die jüngere Nachbarin, obwohl auch lebensnotwendig. Nach dem Einkauf ging es rauf auf die Tretschlitten. Man kommt schnell voran, bei mir ging es etwas auf die Handgelenke, man muss sich aufstützen um zu lenken.

Sportplatz

DDR-HO, früher in Finnland

Tretschlitten, wenn ich schon mal einen Schal umhabe, aber keine Handschuhe. Die Tour ist vorbei, wie man am gefrorenen Bart sieht.

Tretschlitten

Höher steigt die Sonne nicht, es ist 13 Uhr


Donnerstag, 8.2.:

-23 Grad, ob wir heute rausgehen? Ja, wir waren am Hausbriefkasten, der Schnee knirschte. Ein bisschen Schnee geschoben, die Hände kleben sofort am Metall fest. Die Sonne lockt schon. Montag streikt die Finnische Bahn, gut dass wir schon am Sonntag nach Helsinki fahren und übernachten werden. Hoffentlich können wir uns weiterhin um die Streiks herummogeln. Ruhiger Nachmittag, Abendessen zu Hause. Abends ein Spielchen.  Man spielt Rummikub. So ging der kalte Tag vorbei. Man weiß sich auch bei -20° zu beschäftigen.



Freitag, 9.2.:

-23°, am Mittag hat uns Jonte abgeholt und wir sind in seinen Wald gefahren. Sehr schön, es gab viele Spuren von Auerhahn, Fuchs, Hase und auch vom Elch. Danach ging es zu ihm nach Hause, wo Aatu, sein Hund, schon sehnsüchtig wartete. Es gab Lappenkäse, ein wenig wie Griechischer Halloumi, mit Moltebeeren und Kaffee. Abends ging es in die Pizzeria.

Elchspur

Jonte, Aatu und Päivi


Samstag, 10.2.:

Noch etwas kälter, aber das schöne Hochdruckwetter blieb uns die ganze Woche erhalten. Kaum Wind und blank geputzter Himmel. Wir sind zum S-Market gelaufen. Dort haben wir Jonte getroffen, der uns zurückgefahren hat. Er hat Bier gekauft, weil Ski-Fernsehen so austrocknet.  Wir haben viel Musik von Twang!, Mikes Plattenlabel, gehört. Für uns ist Mike gerade hier sehr präsent. Seine Urne liegt unmittelbar an der Außenwand, neben unserem Bett. Wand an Wand, was fehlt uns Mike als Gesprächspartner in Sachen Musik, Politik und unseren Heimatbezirk . Am frühen Abend noch einmal in die Sauna, das werde ich in Berlin vermissen. Keine Bilder.


Sonntag, 11.2.:

-30°, kältester Tag bisher. Früh aufgestanden den Rest eingepackt und in Ruhe gefrühstückt. Jonte holte uns pünktlich nach Ylivieska ab. Der Zug nach Helsinki ist pünktlich, gestreikt wird erst morgen. Pünktlich in Helsinki. Gleich am Bahnhof einen kuschligen Elch gefunden, er heißt Jonte. Leider werde ich ihn an meine Nachbarin verlieren. Kurzer Weg zum Hotel Arthur, eine gute Wahl, Gepäck abgestellt und Richtung Hafen gelaufen. Die Eisbrecher sind im Winter unterwegs, schade. Kein Wiedersehen mit unserem Lieblings-Eisbrecher Otso. Es sind hier nur -7°, gefühlt durch die Feuchtigkeit kälter als in Kalajoki. Unterwegs hätte man Bär für 60€ essen können. Das hätte uns Poldi und unsere restlichen Bären, zu Hause, nie verziehen. Abends, völlig durchgefroren in ein Bierlokal eingekehrt und die geplante skandinavische Enthaltsamkeit über den Haufen geworfen. Es soll hier Großpopowitzer Kozel (Böckchen), ein uns gut bekanntes tschechisches Bier, geben. So stand es jedenfalls an der Tafel, nur ist es leider im Augenblick aus.

Eisbrecher Otso, im Sommer 2013

Helsinkis Südhafen



Montag, 12.2.:

Ausgeschlafen, gutes, aber teures Frühstück im Hotel. Die Fahrt zum Hansa-Terminal ging wie geschmiert. Im Bus wurden wir jedoch angepfiffen, weil wir wegen unseres Gepäcks durch die Mitteltür einsteigen wollten. Sehr pünktlich zur Fähre eingecheckt, also warten. Es ist uns lieber im Terminal zu warten als im Hotel. Wieder eine Etappe gen Heimat. Um 13:30 waren wir an Bord. Kabine gleich eng wie auf der Hintour. Nun hat uns die Streikwelle doch noch erwischt. Die Fähre legt nicht pünktlich ab, sondern 2 ½ Stunden zu spät. Die Rezeption behauptet aber, wir werden pünktlich in Travemünde sein. Sonst keine Ansage, nichts. Ausgiebiges Abendessen, Bier ist ja frei. Die Teller müssen verteidigt werden, sonst werden sie schnell abgeräumt. Vor 21 Uhr ins Bett, das Meer ist sehr ruhig.

Fährhafen

Bärbel mit Elch Jonte und Spitzbergener Pullover



Dienstag, 13.2.:

12 Stunden geschlafen, Jonte hat sich angeschmiegt. Nach dem üppigen Abendessen keinen richtigen Frühstücksappetit. Das Glas Sekt haben wir genommen, der Körper verlangt sein Gift. Wir befinden uns auf der Höhe von Danzig, noch 420 km Luftlinie nach Travemünde. Da könnte es mit der pünktlichen Ankunft sogar hinkommen. Zweites Frühstück bei herrlichem Wetter, zumindest von innen. Ausgiebiger Mittagsschlaf, die Entfernung nach Travemünde verkürzt sich. Um 17 Uhr sind es noch 150 km, damit sind wir im Zeitplan, falls nicht in Travemünde auch gestreikt wird. Hat geklappt. Ein Kleinbus fuhr uns beide als erstes von Bord zum Terminal. Der Bus Richtung Lübeck sollte von der blauen und gelben Mülltonne fahren. Es war aber stockdunkel draußen, also noch mal fragen, dann wurde uns gezeigt. Wir standen noch nicht ganz an der Haltestelle, da kam der Bus auch schon. Einbuchen im Hotel war schwierig. Noch 2 Bier und ab in die Falle.


Mittwoch, 14.2.:

Der Wecker klingelte 1 Stunde zu früh, noch finnische oder Bord Zeit. Nach dem Frühstück in die St. Jakobi Kirche. Dort haben die Honoratioren extra eingezäunte Sitze. Wahrscheinlich auch die Buddenbrooks. Ein Rettungsboot des Viermasters Pamir ist in einer kleinen Kapelle aufgestellt. Das Ruderboot war geborsten. Die Pamir ist 1957 in einem Orkan im Atlantik untergegangen. 80 überwiegend sehr junge Seeleute sind damals ertrunken, nur 6 sind gerettet worden. Eine Katastrophe, es schmerzt. Danach ging es ins Willy-Brandt-Haus. Eine tolle Ausstellung über den Politiker. Brandt ist in Lübeck geboren. Er war uns immer ein beliebter Politiker, seine Partei war es nicht. Er, Egon Bahr und Walther Scheel waren die Väter der Ost-Verträge. Das er nun ausgerechnet vom DDR-Auslandsgeheimdienst, durch die Affäre Günter Guillaume, aus dem Amt gekippt wurde, war Erich Honneckers und Markus Wolfs größte Dummheit. Mit Brandts Nachfolgern hatte die DDR wesentlich mehr Probleme, sie wollten die Entspannung nicht, von der gerade wir Westberliner sehr profitierten.

Holstentor

Geborstenes Rettungsboot der Pamir

Bärbel mit Willy Brandt

Wir hatten noch viel Zeit und haben einen früheren Regional-Zug genommen. So konnten wir den kalten Hamburger Hauptbahnhof 2 Stunden genießen. Pünktlich in Berlin und schnell zu Hause. Eine schöne und fast problemlose Reise ist zu Ende.