Die BVG-Linie M48
Diese Buslinie kenne ich seit meiner Kindheit, da war es der 48er. Daraus wurde nach der Wende die dreistellige Linie 148, eine Eins und Zwei vorn fahren im 10- bis 20-Minutentakt, die Drei seltener, eher in der Peripherie. Ein M vorn, war dann eine Neuerung, das waren Busse oder auch Straßenbahnen, die die S- und U-Bahnlinien quer miteinander verbinden (Metro-Bus/Bahn). Früher war der M48 ein Doppelstöcker, jetzt ist es ein Schlenkerbus. Wir beginnen am Alexander-Platz, später wurde der Bus zur Mohrenstraße zurückgezogen. Zu West-Berliner Zeiten begann die Linie notgedrungen an der Philharmonie, vor dem Potsdamer Platz wäre es eine andere Stadt gewesen. Es war immer eine Linie von und zu Konzerten, im Quartier Latin und in der Berliner Phiharmonie. Endhaltestelle war immer die Busseallee in Zehlendorf. Busseallee ist nach dem Schriftsteller Carl Hermann Busse benannt und heißt nicht etwa so, weil dort die Busse enden. Die Linie führt uns 17 km durch die Bezirke Berlin-Mitte, Tiergarten, Schöneberg, Friedenau und Steglitz nach Zehlendorf, immer entlang der Bundesstraße 1.
Erste Station ist das Nicolaiviertel, bevor wir die Mühlendamm-Brücke über die Spree, an der Mühlendamm-Schleuse, überqueren. Das Nicolaiviertel gehört zum alten Kern Berlins. Es wurde noch zu DDR-Zeiten, anlässlich der 750-Jahrfeier Berlins, schön hergerichtet, wenn auch teilweise mit „Platte“. Dann folgt die Gertraudenbrücke über den linken Spreearm. Die Spree und sein Seitenarm bilden die Spreeinsel, früher Cölln, das mit den Ur-Kern von Berlin bildete. Die Heilige Gertrud ist die Schutzpatronin gegen Mäuse- und Rattenplagen, der Reisenden und Pilger, der Gärtner und der Armen und Witwen. Diese Brücke ist inzwischen eine Fußgänger-Brücke, die neue Hauptbrücke, 6-spurig, ist Teil des Straßenzuges Gruner- und Leipziger Straße.
1960 waren noch Klassen-Ausflüge von West- nach Ost-Berlin möglich.
Vorbei geht es am Marion-Gräfin-Dönhoff-Platz, mit den Spittelkolonnaden. Marion Gräfin Dönhoff, 1909-2002, war eine bedeutende Publizistin der bundesdeutschen Nachkriegszeit. Wir lassen die langweiligen Hochhäuser der Leipziger Straße hinter uns.
Wer technisch interessiert ist, kann das Museum für Kommunikation Berlin besuchen.
Die Mall of Berlin klagt über mangelndes Publikumsinteresse. Nun, so viele Malls werden eben nicht gebraucht. Sie begrenzt die Nord-Ostseite des Leipziger Platzes und steht an der Stelle des ehemaligen Warenhauses Wertheim. Schräg hinter der Mall lag der Führerbunker, von dem aber nichts mehr übrig ist.
An das Oktogon des Leipziger Platzes schließt sich der Potsdamer Platz an. Er war vor dem Krieg fast Berlins Stadtzentrum. Während der Mauer war es eine große Brache, plattgewalzt mit freiem Schussfeld. Ich stand am 13. November 1989 morgens dort am Platz und sah die Trabbis von Ost- nach West-Berlin über die Grenze hoppeln. Nach der Wende wurde der Platz sehr groß und hoch ausgebaut. Ich befürchtete, dass er abends tot sein wird. Ich habe mich geirrt, dort tobt das Leben.
Wir wechseln von Mitte nach Tiergarten, früher von Ost- nach West-Berlin. Dort war allerdings kein Grenzübergang, erst mit der Wende. Es beginnt das Berliner Kulturforum, überwiegend schon vor der Wiedervereinigung entstanden. Die Berliner Philharmonie, der Kammermusiksaal, die Gemäldegalerie, das Kunstgewerbemuseum, die Neue Nationalgalerie, die Staatsbibliothek und in der Mitte immer noch eine Sandwüste.
Es geht über den Landwehrkanal zum Varieté Wintergarten, früher das Quartier Latin, von 1972 bis 1990. Dort haben wir seinerzeit viele Konzerte sehen dürfen, John Mayall, Colosseum, Champion Jack Dupree und viele andere Größen. Ein toller Veranstaltungsort, wenn auch etwas versifft. Anfangs war es ein Kino.
Wir unterqueren die U-Bahnlinie U2, zwischen Ruhleben und Pankow an der Bülowstraße. Die Linie wurde durch den Mauerbau zwischen Gleisdreieck und Potsdamer Platz unterbrochen. Seit Januar 1972 endete die U2 am Wittenbergplatz und die Bahnhöfe Nollendorfplatz, Bülowstraße und Gleisdreieck wurden von der U2 nicht mehr angefahren. Den Grund dafür war ein zu geringes Fahrgastaufkommen. Die beiden Hochbahnhöfe Nollendorfplatz und Bülowstraße dienten Trödelläden und Kneipen als Domizil. Zwischen beiden Bahnhöfen fuhr eine Straßenbahn auf der Hochbahn-Trasse. Da auf einem Teil der U-Bahn-Trasse, von 1984 bis 1991, die verrückte und unnütze Magnetschwebebahn fuhr, dauerte es eine Weile, bis die ursprüngliche Linie U2 nach der Wende wiedereröffnet werden konnte. Mein Funk-Freund Norbert hat mich bei der Aufarbeitung dieser Geschichte unterstützt. Wir verlassen Tiergarten und kommen nach Schöneberg.
Vorbei an der Winterfeldtstraße mit dem ehemaligen Fernmeldeamt 1. Dort hatte ich während meiner Lehrzeit, 1969, im Sprechstellenbau gearbeitet. Zur Besatzungszeit hatten die Amerikaner dort ihre zentrale Abhörstation für das West-Berliner Telefonnetz, das dürfte ich gar nicht wissen.
An der Pallas- Ecke Potsdamer Straße stand, etwas zurückgesetzt, bis November 1973 der Berliner Sportpalast, Einpeitscher Joseph Goebbels: Wollt ihr den totalen Krieg, jaaaah, brüll, brüll. Den hatten wir dann auch, in Berlin stand kaum noch ein Stein auf dem anderen. Ich war mit meinem Großvater zum Sechs-Tage-Rennen im Sportpalast. Übrig geblieben ist noch ein großer Bunker, in dem vor der Wende Senats-Reserven eingelagert wurden. Senats-Reserven waren Konserven, z. B. das Senats-Rindfleisch. Diese mussten regelmäßig ausgewechselt werden und tauchten dann relativ preiswert in den Läden auf. Dies waren die Vorsichtsmaßnahmen der Stadt nach der Blockade, 1948. Der Bunker musste stehenbleiben, weil bei dessen Sprengung halb Schöneberg eingeäschert worden wäre. Wim Wenders drehte dort Teile seines wunderbaren Films „Der Himmel über Berlin“. Über und an der Pallasstraße steht eins der schrecklichsten Wohnhäuser Berlins.
Weiter geht es vorbei an den Königskolonnaden, mit dem ehemaligen Kammergericht im Hintergrund. Nach dem Krieg war dort der Alliierte Kontrollrat beheimatet. Dort saßen bis zur Wiedervereinigung die 4 Besatzungsmächte Berlins. Ich hatte indirekt beruflich damit zu tun, weil dort auch das Berlin-Air-Safety-Center war, zumindest hatten wir einige Telefon- und Datenleitungen aus Tempelhof dorthin. Einmal bin ich auch dort gewesen. Während der Besatzungszeit musste jeder Flug durch die drei Luftkorridore von dort, mit einem Zeitfenster, genehmigt werden, von den Sowjets, den Engländern, den Franzosen und den Amerikanern. Im Dritten Reich tagte dort der Volksgerichtshof unter Vorsitz von Roland Freisler, gegen die Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944. Jetzt ist es der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin. Es schließt sich das große Verwaltungs-Gebäude der ehemaligen Reichs-Autobahnen an. In West-Berlin war es dann die Hauptverwaltung der Berliner Verkehrsbetriebe. Gegenüber befand sich früher der größte Radsportladen Berlins, Fahrrad Machnow. Hat leider schon lange geschlossen, ich habe dort viel eingekauft. Auf einem Rad, von 1989, fahre ich heute noch, und mein GIOS-Renner hängt über dem Schreibtisch. Der Laden ist nach Charlottenburg umgezogen und heißt jetzt Stadler.
Wir kommen an der Potsdamer Straße 155 vorbei. Hier wohnte von 1976 bis 1978 der, inzwischen verstorbene, Pop-Sänger David Bowie. Kurze Zeit wohnte auch der Musiker Iggy Pop bei ihm. Das war nicht von langer Dauer, weil ihm Iggy immer den Kühlschrank leer gefressen hatte. So viel zum Glamour und Klatsch. Schräg gegenüber, in der Vorbergstraße befand sich das Kino Notausgang. Dort lief viele Jahre, im Nachtprogramm, Ernst Lubitschs Film "Sein oder Nichtsein". Eine lebensgroße Puppe Lubitschs saß in der 3. Reihe. Bedauerlicherweise ist das Kino schon lange geschlossen, es war eine wichtige Einrichtung.
Vorbei am Richard-von-Weizsäcker-Platz, früher Kaiser-Wilhelm-Platz, zum Postamt Schöneberg. Dort hatte ich 1970 eine kurze Zeit in der Störungsstelle Süd-West gearbeitet.
Im Vordergrund, mein Fahrrad, von 1989 vom ehemaligen Radsport Machnow.
Wir kommen zum alten Kern Schönebergs mit der kleinen Dorfkirche. Gegenüber lag lange Zeit der Prälat Schöneberg, ein großer Veranstaltungsort und die heimliche Heimat der Schöneberger Sängerknaben. Inzwischen ist er abgerissen.
Über den Innsbrucker Platz verlassen wir Schöneberg und kommen nach Friedenau, kreuzen die Stadtautobahn und die Ringbahn.
Im La-Belle-Club wurde am 5. April 1986 ein schwerer Bombenanschlag verübt. Es war eine Diskothek, in der viele amerikanische Soldaten verkehrten. Es gab viele Tote und Verletzte. Der lybische Staatspräsident Gaddafi wird dafür verantwortlich gemacht, aber auch die DDR hatte die Finger mit im Spiel. Früher war dort das Roxy-Kino, danach waren es diverse Läden.
Über das Rathaus Friedenau zur Kaisereiche.
Wir kommen nach Steglitz. Jetzt springt mein ausführlicher Bericht über die Steglitzer Schlossstraße ein, die die Linie M48 vollständig durchfährt. Wir fahren vorbei am Botanischen Garten, verlassen Steglitz und erreichen Zehlendorf. Dort endet die Linie in der Busseallee.
An der Zehlendorf Friedenseiche
Es lohnt sich eine Sightseeing-Tour mit dem M48, wenn auch die Sehenswürdigkeiten schnell vorbeiflitzen. Da der Bus sehr oft fährt, kann man auch zwischendurch aussteigen. Voraussetzung ist dafür allerdings ein Tagesfahrschein. Den Berufsverkehr sollte man meiden. Leipziger Platz, mit Potsdamer Platz und Kulturforum lohnen sich besonders und natürlich die Schlossstraße in meinem Heimatbezirk Steglitz auch.