Nürnberg 2017
Gisela und Wolfram haben zu einer Vernissage im Nürnberger Leica-Store gerufen. Nürnberg ist immer eine Reise wert und bequem, billig und stressfrei in 5 Stunden mit dem Bus zu erreichen. Also nichts wie los! Donnerstag am späten Morgen ging‘s los, so hatten wir am Nachmittag mit unseren beiden Leicafreunden noch Zeit für einen kleinen Stadtrundgang. Nürnberger Lebkuchen außerhalb der Weihnachtszeit wurden eingekauft. Abends am Trödelmarkt in eine urige Wirtschaft eingekehrt. Es gab Schlenkerla Rauchbier vom Fass. Wir hatten schon vergessen, wie gut das schmeckt, in Berlin gibt es das höchstens aus der Flasche und das ist wesentlich schlechter. Selbst in Franken setzen sich jetzt leider auch die 0,4 l Gläser durch. Versteckte Preiserhöhung! Man sagt, das Rauchbier schmeckt besonders nach dem Zehnten richtig gut. Nun ja, so groß war unser Durst doch nicht. Gisela und Wolfram mussten ja noch mit dem Auto fahren. Einer musste fahren und der andere war solidarisch. Da waren wir mit 10 Minuten zu Fuß besser dran.
Am nächsten Tag ging es zum Gelände der Nazi-Parteitage. Dort sind wir noch nie gewesen. Mit dem 36er Bus ging es zickzack durch die Innenstadt in den Vorort. Zuerst ging es zum Rohbau der großen Kongresshalle. Die Randbebauung steht, das Dach ist nie fertig geworden. 50000 Menschen sollten dort Platz finden. Mann, was der Größenwahn der Nazis alles so hervorgebracht hat. In einer Ecke des Gebäudes ist das Doku-Zentrum untergebracht worden. Eine hervorragende und bedrückende Ausstellung über Aufstieg und Fall der NSDAP und des Dritten Reichs. Es gab so viele Fotos von den Untaten, die Reichskristallnacht: Ein SA-Mann mit Petroleum-Kanister. Wer war der? Irgendjemand muss ihn doch gekannt haben. Die einfacheren Sachen waren die schelmisch lachenden SA-Männer, die zum Boykott vor vergitterten, jüdischen Geschäften aufriefen. Sehr interessant waren die verdrehten Augen der vielen Hitler-Fans auf den Bildern. Hitler selbst mit Kalbsaugen in einer Gruppe junger Mädchen. Angeschlossen war eine Sonderausstellung über Albert Speer, der sich im Nürnberger Haupt-Kriegsverbrecher-Prozess geschickt herauswinden konnte. Gerade in diesem Gebäude zeigte sich durch dessen Wandverkleidungen die Wirklichkeit. Speer war Bauherr und hat Tausende von KZ-Häftlingen in die Steinbrüche schicken lassen, um das Baumaterial für seine Projekte zu bekommen. Die späteren Recherchen durch Wissenschaftler, die in der Ausstellung hervorragend dargestellt wurden, belasteten Speer erheblich. Das war jedoch in der jungen Bundesrepublik kein Thema, eher war Speer ein gefeierter Buchautor. Viele Parteigänger der NSDAP fühlten sich dadurch auch entschuldigt. Nach der Ausstellung ging es zum Zeppelinfeld, wo die Massen Adolph Hitler und seiner glorreichen Bewegung huldigten und Leni Riefenstahl choreografierte. Ein paar Tribünen stehen noch, der vermeintliche Ernst (eigentlich Lächerlichkeit) der Sache wird verwässert. Fahrschulen üben mit angehenden Motorradfahrern auf den Freiflächen davor. So kann man nicht mit der Geschichte, gerade in Nürnberg, umgehen. Dann sollte der gesamte Spuk lieber komplett weg. Auch die Nachnutzung der Kongresshallenruine, mit einem Lager für Baustellenabsperrungen, ist sehr bedenklich. Dann übt auch noch die Feuerwehr mit Feuerlöschern dort. Very strange! Diese Dinge stehen im krassen Gegensatz zur ernsthaften Auseinandersetzung mit der Nazizeit in der ansässigen Ausstellung. Die Probenräume für das Nürnberger Symphonieorchester gehen da schon eher durch. Neben dem Gelände befindet sich auch noch ein Rummelplatz, alles sehr seltsam. Natürlich waren die Parteitage auch ein Rummel. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass die Nürnberger Stadtverwaltung dies herauskehren wollte, es hat wohl mehr mit Geldmangel zu tun. Nee, so geht das nicht! Da ist der Saal 600, in dem der alliierte Kriegsverbrecher-Prozess geführt wurde ganz anders gepflegt, bzw. eingebettet. Mit der Straßenbahn, etwas bedrückt, zurück in die Innenstadt, wo wir uns noch etwas treiben ließen.
Um 18 Uhr ging es dann zur Vernissage im Nürnberger Leica-Store. Sehr gediegene Räume für Hermann J. Netz’s ZEN-Art-Fotografie. Minimalistische, technisch perfekte Bilder. Viele hübsche Sachen waren dabei. Angenehme Gespräche mit anderen Leica-Fans, bei gutem Bier und leckeren Häppchen. Auch einer meiner Leica-"Lieblings"-Forenten war anwesend, dem ging ich schön aus dem Weg.
Am nächsten Tag ging es entlang der Stadtmauer zur Kaiserburg hinauf und danach noch zu einem Stadtbummel. Im Café neben dem Leica-Store haben wir uns von Gisela und Wolfram verabschiedet und sind dann vom Willy-Brandt-Platz mit dem Bus nach Berlin zurückgefahren.